Günther Loewit

Immer mehr wird die Rolle, die die Religion über Jahrhunderte innehatte, von der Medizin übernommen. Nicht erst seit Corona fällt ins Auge, dass das Überleben des Einzelnen einen bisher noch nie dagewesenen Stellenwert einnimmt. Denn das oberste Gebot unseres modernen Gesundheitssystems lautet: Der Tod muss um jeden Preis bekämpft werden.
Zum Leben gehört auch das Sterben und der Tod, dennoch gibt es diese Option in der Medizin nicht. Als Todesursache steht beispielsweise Altersschwäche nicht zur Auswahl. Die Rolle des Arztes wie sie ursprünglich war, als Begleiter, Helfer und Zuhörer, wurde sukzessive abgelöst von standardisiertem Vorgehen, das Physis und Psyche strikt trennt und der die Aufgabe hat, den Tod so lange wie möglich zu verhindern. In manchen Fällen jedoch, wie bei Krebsbehandlungen in einem späten Stadium stellt sich schon die Frage, wie menschlich ein solches Vorgehen noch ist und ob Quantität über Qualität steht, was die verbleibende Lebenszeit betrifft.
Tatsache ist, dass wir von Geburt bis Tod engmaschig medizinisch überwacht werden und dass hier die Medizin zur neuen Religion der Menschen wird. Da die Medizin, anders als die Religion, nicht an ein Leben nach dem Tod glaubt, versucht sie, das Paradies ins irdische Leben zu bringen und dies um jeden Preis zu verlängern. Auch die individuelle Freiheit wird geopfert, wenn die Gesundheit militant in den Mittelpunkt aller gesellschaftlichen Ziele gestellt wird, was wir an der Impfpflichtdiskussion rund um Corona erlebt haben.
Dieses Buch des Arztes Dr. Günther Loewit, der als Kritiker des modernen Medizinbetriebs bekannt wurde, gibt viel Stoff zum Nachdenken über die Eigenverantwortung des Einzelnen, sei es der Patient, aber auch der Mediziner. Sich aus der Hörigkeit zu lösen und den Einfluss der Psyche miteinzubeziehen, die Würde des menschlichen Seins wieder in den Mittelpunkt zu stellen und letztendlich den Tod als Teil des Lebens zu akzeptieren, das fordert der engagierte Arzt.
Mich hat dieses Buch dazu gebracht, Parallelen zwischen dem Medizinbetrieb und der Kirche zu erkennen, die mir bis dato nicht bewusst waren. Kritische Überlegungen zur Rolle der Heilkunst sind angebracht, denn die Medizin kann und soll kein neuer Heilsbringer sein! Aus den eigenen Praxiserfahrungen schöpfend, hat der Autor sehr authentisch und interessant erzählt, welche Baustellen es in der Medizin und im Arztdasein gibt: spannend und lesenswert!
Details zum Buch:
2020
ISBN 978-3-99060-178-5
Bettina Armandola
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